Elternunterhalt § Rechtslage, Berechnung & Ausschlussgründe
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Familienrechtsredaktion
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- Elternunterhalt im eigentlichen Sinne gibt es in der Schweiz nicht jedoch gibt es eine Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328 ZGB
- Der Unterhalt für Eltern muss erst gezahlt werden, wenn auch die Ersatzleistungen nicht ausreichen
- Für einen Anspruch müssen nachweislich Voraussetzungen erfüllt sein
- Anspruchsberechtigt ist, wer zur Blutsverwandtschaft gehört
- Der Freibetrag liegt zwischen 120.000 und 180.000 CHF Einkommen pro Jahr
- Vermögen wird zu einer gewissen Quote - ab einem bestimmten Betrag - dem Einkommen angerechnet
- Bei Unbilligkeit kann der Anspruch reduziert oder ausgeschlossen werden
- Böswilliges Verhalten ist ein Ausschlussgrund für den Elternunterhalt
Rechtslage zum Elternunterhalt
Das Schweizer Recht kennt die Definition Elternunterhalt grundsätzlich nicht, jedoch findet sich im Art. 328 Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) eine umfassende Unterstützungspflicht für nahe Angehörige in Form der sogenannten Verwandtenunterstützungspflicht. Diese regelt grundsätzlich, dass bedürftige Verwandte von jenen Angehörigen finanziell zu unterstützen sind, die über gute Einkommensverhältnisse verfügen und somit die Unterstützungspflicht ohne risikobehaftete Wirkung auf die eigenen Lebensumstände wahrnehmen können.
Definition des Elternunterhalts
Der Anspruch für die Unterstützung, die im Volksmund oftmals als Elternunterhalt bezeichnete Verwandtenunterstützung erst dann infrage, wenn die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, das Einkommen und die Rente nicht reichen, um die minimalen Lebenskosten zu decken. In diesem Fall verpflichtet der Elternunterhalt dazu, in auf- und absteigender Linie Verwandte finanziell zu unterstützen, sollten diese Gefahr laufen in eine Notlage zu geraten. Was ausufernd klingt, stösst in der Praxis jedoch schnell an Grenzen. Den diese Form des Unterhaltsanspruchs ist an die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners geknüpft.
Elternunterhalt ist in diesem Bezug ein irreführendes Wort. Die Verwandtenunterstützungspflicht erstreckt sich nämlich nicht nur auf Fälle, in denen die eigenen Eltern in Not geraten. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar – die Eltern zahlen Verwandtenunterstützung an das Kind. Auf Grund des demografischen Wandels wird der Art. 328 ZGB aber in Zukunft immer mehr seine Wirkrichtung ändern. Die Bevölkerung altert und die Zahl der Pflegepatienten steigt damit entsprechend an. Deshalb kommt es häufiger dazu, dass ältere Menschen nicht mehr für Ihre Bedürfnisse aufkommen können (Betreuungsplatz, Altenheim, spezielle Behandlungen).
Gesetzlicher Anspruch auf Elternunterhalt
In der Rechtsprechung streitet man sich bis heute über die Einordnung des Art. 328 ZGB. Was für Sie bedeutsam ist, ist, dass es sich um einen materiellen Anspruch (praktisch durchsetzbar) auf Elternunterhalt handelt. Das heisst: sind Sie anspruchsberechtigt und der Verwandte ist “gut gestellt”, wird er Ihnen Elternunterhalt zahlen müssen. Dieses Rechtsinstitut wird von einem kantonal geregelten Sozialhilfesystem gestützt und ergänzt. Für ein besseres Verständnis lohnt sich ein Blick ins Gesetzbuch:
Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch
Grundsätzlich gilt, dass ein Anspruch dann besteht, wenn das eigene Einkommen trotz Ergänzungsleistung nicht ausreicht, um die minimalen Lebenskosten zu decken. Der Gesetzgeber hat somit folgende Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verwandtenunterstützung definiert:
- Unterhaltspflichtiger lebt in günstigen Verhältnissen
- Unterhaltsempfänger ist Verwandter
- Ohne Beistand würde Unterhaltsempfänger in Not geraten
- Weiterhin darf keine elterliche, eheliche, nach-eheliche oder partnerschaftliche Unterhaltspflicht zwischen Pflichtigen und Empfänger im Raum stehen. Diese Unterhaltsarten gehen nämlich nach Art. 328 Abs. 2 ZGB vor.
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Personenkreis der Anspruchsberechtigten
Es stellt sich grundsätzlich die Frage, wer überhaupt für wen Unterhalt zahlen muss? Anspruchsberechtigt ist, wer Blutsverwandtschaft ist. Aber auch Adoptiveltern erfüllen die Anforderungen. Zur Übersicht eine abschliessende Aufzählung der Anspruchsberechtigten aus Ihrer Perspektive:
- Ihre Kinder könnten einen Anspruch auf “Elternunterhalt” haben
- Ihre Enkel könnten einen Anspruch auf “Elternunterhalt” haben, wenn deren Eltern nicht leistungsfähig sind
- Ihre Eltern könnten diesen Anspruch geltend machen (z.B. um die Kosten für ein Pflegeheim zu decken)
- Ihre Grosseltern könnten ebenfalls einen Anspruch haben, wenn deren Kinder (Ihre Eltern) nicht leistungsfähig sind
Andere Verwandte sind ausdrücklich nicht von Art. 328 ZGB eingeschlossen. Das bedeutet, dass weder Ihre Geschwister, noch Tante / Onkel oder Neffe / Nichte einen Anspruch auf Elternunterhalt Ihnen gegenüber geltend machen können. Übrigens ist immer derjenige zum Unterhalt verpflichtet, der im engsten Verwandtschaftsverhältnis steht. Erst wenn diese Person ausscheidet kommt der nächste Verwandte in Betracht.
Günstige Verhältnisse des Unterstützungspflichten
Natürlich sind Sie nicht verpflichtet Unterhalt für Eltern zu zahlen, wenn Sie selbst kaum genug Geld haben. Das Gesetz findet hier die Formulierung “in günstigen Verhältnissen”. Grundlage für die Ermittlung ist die Richtlinie Kapitel F.4 der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe. Dort werden die Grenzwerte festgelegt, die im Einzelfall entscheiden, ob die Unterstützungspflicht greift oder nicht. Die SKOS-Richtlinie gibt hierbei folgende Grenzwerte vor: Günstig lebt, wer:
- als Alleinstehender mehr als 120.000 CHF pro Jahr verdient
- als verheiratetes Paar / in einer eingetragenen Partnerschaft mehr als 180.000 CHF pro Jahr verdient
- Pro Kind in der Ausbildung wird ein Zuschlag von 20.000 CHF pro Jahr angenommen
Geringes Einkommen und erhebliches Vermögen
Nun gibt es auch die Situation, dass eine Person zusätzlich ein hohes Vermögen (aber kaum / gar kein Einkommen) hat. Fraglich ist also, wie das Vermögen beim Elternunterhalt angerechnet wird. Der Gesetzgeber hat hier eine Lösung gefunden:
Alter des Elternunterhaltspflichtigen | Quote für Verzehr pro Jahr |
---|---|
18-30 Jahre | 1/60 |
31-40 Jahre | 1/50 |
41-50 Jahre | 1/40 |
51-60 Jahre | 1/30 |
Ab 61 Jahren | 1/20 |
Elternunterhalt Berechnungsbeispiele
Das klingt fürchterlich kompliziert. Aber an Hand zweier Beispiele werden Sie schnell verstehen, wie die Ermittlung der “günstigen Verhältnisse” erfolgt. Einerseits wird ein Beispiel zum Unterhaltsanspruch des Elternunterhalts erläutert, der nicht durchsetzbar ist. Andererseits präsentieren wir Ihnen ein Beispiel, in dem der Unterhaltsanspruch durchaus durchsetzbar ist.
Beispiel 1 | Nicht durchsetzbarer Unterhaltsanspruch
Thomas, 42 Jahre alt, alleinstehend mit einem Kind (Schüler), Vermögen: 270.000 CHF, Einkommen: 110.000 CHF pro Jahr. Nun benötigt beispielsweise Thomas Mutter Elternunterhalt. Das Einkommen übersteigt nicht die Grenze, weshalb hier noch keine “günstigen Verhältnisse” vorliegen. Fraglich ist, ob das Vermögen etwas daran ändert. 270.000 CHF sind 20.000 Euro mehr, als der vorgesehene Freibetrag. Nun muss von diesem Vermögen aber noch der Zuschlag für das Kind abgezogen werden. 270.000 CHF – 40.000 CHF = 230.000 CHF. Somit ist der Freibetrag unterschritten. Der Anspruch auf Elternunterhalt ist nicht durchsetzbar.
Beispiel 2 | durchsetzbarer Unterhaltsanspruch
Thomas, 42 Jahre alt, alleinstehend ohne Kind, Vermögen: 400.000 CHF, Einkommen: 119.000 CHF pro Jahr. Auch in diesem Fall ist das Einkommen pro Jahr unter dem Freibetrag. Nun kommt das Vermögen hinzu. Thomas dürfte 250.000 CHF besitzen, es sind aber 150.000 CHF mehr. Da er 42 Jahre alt ist, wird das Vermögen mit einer Quote von 1/40 berechnet. 150.000 CHF * 1/40 = 3.750 CHF zusätzliches Jahreseinkommen auf Grund von Vermögen. Insgesamt also 119.000 CHF + 3.750 CHF = 122.750 CHF. Der Freibetrag ist mithin überschritten. Das bedeutet für Thomas, dass er in “günstigen Verhältnissen” lebt und ggf. eine Pflicht zum Unterhalt der Eltern besteht.
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Ausschlussgründe für den Elternunterhalt
Aber nicht in allen Konstellationen kann der Elternunterhalt durchgesetzt werden. Selbst wenn die gesetzlichen Anforderungen vorliegen, können Unbilligkeitsgründe zu einer Reduzierung oder zum Ausschluss des Anspruchs führen. Inwieweit eine Unbilligkeit vorliegt, muss im Einzelfall vom Gericht entschieden werden. Ihm wird hier ein Ermessen eingeräumt. Als Merksatz: Unbilligkeit liegt dann vor, wenn auch ein Enterbungsgrund vorliegen würde.
Die Anforderungen sind also hoch. Von besonderer Bedeutung sind in der Praxis Fallgruppen, in denen familienrechtliche Pflichten schon im Voraus vom Unterhaltsberechtigten verletzt wurden. Populärstes Beispiel: der Vater verlangt Elternunterhalt, obwohl er selbst nie seinen Unterhaltsverpflichtungen nachgekommen ist. Hier ist der Anspruch nach herrschender Meinung mindestens zu reduzieren. Weiter Gründe für einen Ausschluss des Unterhalts für Eltern:
- Wenn die Leistung bereits erbracht wurde
- Die Daten, die “günstige Verhältnisse” bestätigen sind veraltet
- Der Unterhaltsberechtigte die Notlage nur vortäuscht / die Notlage nicht vorliegt
- Enterbungsgründe (Verbrechen gegen Pflichtigen)
- Böswilliges Verhalten
Ebenfalls häufig kommt die Frage auf, ob die Verwandtenunterstützung gezahlt werden muss, wenn Eltern wegen der Kinderbetreuung Erwerbseinbussen zu verkraften haben? Die herrschende Meinung lehnt hier ab – diese Kompensation ist ein Teil des Betreuungsunterhaltes.
Berechnung des Unterhaltsanspruchs
Die Berechnung des Unterhalts für Eltern ist kompliziert und hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Grundsätzlich soll die Leistung all das umfassen, was der Bedürftige für seinen Lebensunterhalt benötigt. Wird der Elternunterhalt erstmalig beantragt, so setzt sich der Sozialdienst mit dem Pflichtigen in Verbindung. Es wird versucht sich über einen Betrag zu einigen. Schlägt diese Einigung fehl, so klagt der Sozialdienst den Anspruch des Unterhaltsberechtigten beim zuständigen Gericht ein. Berechnungsgrundlage für den Elternunterhalt bilden grundsätzlich:
- Lebensunterhalt (vor allem bei älteren Personen: auch medizinische Versorgung)
- Doppelter Ansatz des Grundbedarfs
- Berufsauslagen
- Übrige Kosten
- Wohnkosten, Steuern, Versicherungen, KVG und VVG, Unterhaltsbeiträge und so weiter
Wie kann ein Anwalt helfen?
Ein Anwalt für Familienrecht ist immer dann sinnvoll, wenn Sie selbst Verwandtenunterstützung benötigen oder einer Ihrer Verwandten diese beantragt. In diesen Fällen muss geprüft werden, ob ein solcher Anspruch besteht und wie er durchgesetzt werden kann. Im Normalfall wird eine aussergerichtliche Einigung angestrebt. In besonderen Konstellationen bzw. Streitfällen ist aber auch denkbar, dass Sie sich gegen das Verlangen von Elternunterhalt wehren können. Bei Unbilligkeit hilft Ihnen der Familienrechtsanwalt den Anspruch abzuwehren. Den Elternunterhalt zu berechnen ist eine komplexe Angelegenheit. Auch hier müssen die Vermögensverhältnisse der Beteiligten und der Bedarf geprüft werden. Ihr Anwalt unterstützt Sie dabei.
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FAQ: Elternunterhalt
Der Elternunterhalt kann nur eingefordert werden, wenn der Pflichtige in günstigen Verhältnissen lebt. Die Schweizer Rechtsprechung orientiert sich an folgenden Freibeträgen:
- Alleinstehend: Einkommen = 120.000 CHF pro Jahr Freibetrag (weniger Einkommen = keine Elternunterhaltspflicht), Vermögen = 250.000 CHF Freibetrag
- Paar: Einkommen = 180.000 CHF pro Jahr Freibetrag, Vermögen = 500.000 CHF
- Ein minderjähriges Kind in der Ausbildung mindert das jährliche Einkommen um 20.000 CHF und das Vermögen sogar um 40.000 CHF.