Fallbeispiel: gemeinsames Sorgerecht
Ein einfaches Beispiel für den Anfang: Sie sind Träger der alleinigen elterlichen Obhut und das Kind wohnt mit Ihnen in der Wohnung. Nun entschliessen Sie sich, mit dem Kind umziehen zu wollen. Auf Grund des schönen Wetters zieht es Sie in den Süden. Der neue Wohnort ist hunderte Kilometer entfernt und in diesem Land wird eine andere Sprache gesprochen.
Fraglich ist nun, ob Sie – als Trägerin der Obhut – allein entscheiden können, dass dieser Umzug mit Kind stattfinden soll. Einfache Antwort: Nein. Sofern der Vater Träger des Sorgerechts ist, hat er ein Mitbestimmungsrecht am Aufenthaltsort des Kindes. Er müsste diesem Umzug zustimmen, da er erheblichen Einfluss auf den persönlichen Verkehr zwischen zurückbleibendem Elternteil und Kind hat und eventuell sogar das Kindeswohl gefährdet sein könnte.
Zustimmungserfordernis im Zuge des Aufenthaltsbestimmungsrecht
Besteht ein gemeinsames Sorgerecht, so müssen sich die Eltern über einen bedeutenden Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes einigen. Namentlich nennt der Art. 301a Abs. 2 ZGB zwei Fälle, in denen eine Zustimmung des anderen Elternteils in jedem Fall erforderlich ist:
- Wenn der neue Aufenthaltsort im Ausland liegt
- Wenn der Umzug erhebliche Auswirkungen auf die elterliche Sorge und / oder den persönlichen Verkehr hat
Ist ein Umzug zustimmungsbedürftig und ein Elternteil willigt nicht ein, muss ein Gericht oder die Kindesschutzbehörde hinzugezogen werden. Diese fällt dann eine Entscheidung. Hier geht es aber nicht darum, vernünftige Gründe vorzulegen, warum der Umzug für den Elternteil sinnvoll ist. Das Gericht entscheidet einzig im Sinne des Kindeswohls. Grundsätzlich sind beide Träger des Aufenthaltsbestimmungsrecht berechtigt das Gericht oder die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes zu ersuchen.
Entscheidungskriterien
Stellen Sie sich immer folgende, grundsätzliche Frage: Geht es dem Kind besser, wenn es am derzeitigen Aufenthaltsort verbleibt oder wenn es wegzieht? Eine komplexe Frage. Aber das ist der Entscheidungsmassstab, der hier zur Anwendung kommen sollte. Dabei können viele wichtige Faktoren berücksichtigt werden:
- In welchem Betreuungsmodell wurde das Kind betreut (Umzug bei Wechselmodell deutlich problematischer, als bei unregelmässigem persönlichem Verkehr)?
- Was möchte das Kind?
- Wie ist die Mobilität und inwieweit wird der Umgang durch den Umzug eingeschränkt?
- Finanzielle und persönliche Verhältnisse (Elternwille)
- Möglicher Einfluss auf die Erziehung
- Bestehende Umgangsregelungen
- Sprache, Bildungsgrad und Alter des Kindes
Fallbeispiel: Aufenthaltsbestimmungsrecht im Lichte eines geplanten Umzugs
Wenn Sie einen Umzug planen und Unklarheit bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrecht herrscht, sollten Sie einen Anwalt für Familienrecht aufsuchen. Dieser berät Sie über Ihre Rechte, Möglichkeiten und Pflichten. Ein nicht abgesprochener Umzug kann Folgen haben.
Sofern Sie innerhalb der Schweiz umziehen möchten, müssen Sie lediglich um Zustimmung bitten, wenn der Umzug Einfluss auf den persönlichen Verkehr hat. Besonders problematisch ist das, wenn im Wechselmodell betreut wird. Dann hat das Kind nämlich regelmäßig zwei Lebensmittelpunkte, wobei ihm keiner einfach genommen werden darf.
Inwieweit ein Umzug im Schweizer Inland also zustimmungsbedürftig ist, hängt von den einzelnen Umständen ab. Ziehen Sie beispielsweise lediglich ein Dorf weiter, so wird Ihnen dies im Regelfall auch ohne Zustimmung erlaubt sein. Anders sieht es bei einem geplanten Umzug ins Ausland aus. Hier ist die Zustimmung bei gemeinsamem Sorgerecht unbedingt notwendig. Auch wenn der neue Wohnort unmittelbar an der Grenze liegt. Sollte es zum Streit kommen, sind entscheidende Faktoren:
- Ist das Kind bilingual aufgewachsen?
- Ist das Umzugsland das Heimatland eines der Elternteile?
- Gibt es dort Familie bzw. Bezugspersonen für das Kind?
- Ist das Land sicher und gewährleistet stabile Verhältnisse?