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Unentgeltliche Rechtspflege § Rechtslage und Voraussetzungen

Nicht jeder kann sich die Kosten für ein Gerichtsverfahren bzw. für einen Rechtsvertreter leisten. Finanzielle Mängel sollen jedoch nicht dazu führen, dass man seine Rechte nicht geltend machen kann. Es gibt daher für solche Fälle die Möglichkeit, unentgeltliche Rechtspflege zu beanspruchen. Die Gerichtskosten und unter Umständen auch die Anwaltsgebühren trägt dann der Staat. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um unentgeltliche Rechtspflege zu erhalten? Und wie läuft dies genau ab? In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte zum Thema unentgeltliche Rechtspflege.
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Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze

Rechtslage zur unentgeltlichen Rechtspflege

Durch Artikel 29 der Bundesverfassung (BV) ist festgeschrieben, dass jede Person vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen grundsätzlich gleich und gerecht zu behandeln ist. Jede Partei hat Anspruch auf rechtliches Gehör. Ausserdem kann jede Person, die nicht über die notwendigen Mittel verfügt, unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch nehmen, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Zudem kann ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt werden, wenn dies zur Wahrung ihrer Rechte nötig ist.

Detaillierte Regelungen zur unentgeltlichen Rechtspflege sind für Zivilprozesse wie zum Beispiel Scheidungsverfahren in der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vorzufinden. So umfasst die unentgeltliche Rechtspflege laut Artikel 118 die Befreiung von Vorschüssen, Sicherheitsleistungen und von den Gerichtskosten und – wenn notwendig – die Kostenübernahme für einen Rechtsbeistand. Die unentgeltliche Rechtspflege kann entweder zur Gänze oder zum Teil gewährt werden. Nicht inbegriffen sind die Kosten für die Parteientschädigung – diese muss in jedem Fall aus eigener Kasse bezahlt werden.

Um unentgeltliche Rechtspflege zu erhalten, muss ein Gesuch gestellt werden. Gemäss Artikel 119 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gesuch entweder vor oder nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingebracht werden. Dabei sind die Einkommens – und Vermögensverhältnisse darzulegen und der Fall ist zu schildern. Im Gesuch kann auch der gewünschte Rechtsbeistand genannt werden. Anschliessend entscheidet das Gericht über das Gesuch, eine Anhörung der Gegenpartei kann erfolgen. Sind Sicherheitsleistungen für die Parteientschädigung durch das Gesuch betroffen, dann ist die Gegenpartei immer anzuhören.

Ausnahmeregel zur rückwirkenden Beantragung
In Ausnahmefällen kann die unentgeltliche Rechtspflege rückwirkend bewilligt werden. Werden Rechtsmittel eingelegt, dann muss die unentgeltliche Rechtspflege erneut beantragt werden. Für das Verfahren über die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege fallen keine Gerichtskosten an – es sei denn, der Gesuchsteller handelt aus Bös- oder Mutwilligkeit.

Laut Artikel 120 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird die unentgeltliche Rechtspflege wieder entzogen, wenn kein Anspruch mehr besteht oder dieser nie bestanden hat. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Artikel 123 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzuzahlen, sollte dies innerhalb der darauffolgenden zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens möglich sein.

Grundlegendes zur unentgeltlichen Rechtspflege

Sind Sie mit rechtlichen Themen konfrontiert, ein Verfahren steht bevor und Sie wissen nicht, wie Sie dieses finanzieren sollen? Wenn Ihre Mittel nicht ausreichen, dann können Sie um unentgeltliche Rechtspflege ersuchen. Wird diese gewährt, dann werden die Kosten für das Verfahren vom Staat übernommen. Sollten Sie in den darauffolgenden zehn Jahren nach Verfahrensende wieder genügend Geld zur Verfügung haben, sind die entstandenen Kosten jedoch wieder zurückzuzahlen. Ausserdem kann der Anspruch für den weiteren Prozess entzogen werden, falls dies durch die Entwicklung der finanziellen Verhältnisse naheliegend ist. Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst die folgenden Kostenpunkte:

  • Befreiung von Vorschüssen
  • Befreiung von Sicherheitsleistungen
  • Übernahme der Gerichtskosten
  • Kostenübernahme für einen Rechtsbeistand

Beachten Sie, dass Sie im Falle eines für Sie erfolglosen Verfahrens die sogenannte Parteientschädigung zu zahlen haben. Das heisst: Unterliegen Sie im Verfahren, dann haben Sie die Anwaltskosten der Gegenpartei zu tragen. Die Parteientschädigung müssen Sie – auch wenn Ihnen unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen wurde – selbst tragen. Lediglich die Kosten für Ihre eigene Rechtsvertretung werden übernommen. Die unentgeltliche Rechtspflege kann entweder ganz oder teilweise gewährt werden und ist an den Bedarf geknüpft. Können Sie einen Teil der Kosten selbst bezahlen, dann werden Ihnen nur die restlichen Kosten erstattet. Welche Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme erfüllt sein müssen, erfahren Sie im folgenden Abschnitt.

Infografik
Eckpunkte der unentgeltlichen Rechtspflege

Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege

Die Voraussetzungen für unentgeltliche Rechtspflege sind zum Einen Bedürftigkeit bzw. Notwendigkeit und zum Anderen die Aussicht auf ein erfolgreiches Verfahren. Von Bedürftigkeit in dem Zusammenhang kann gesprochen werden, wenn die Prozesskosten nicht aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen bzw. Vermögen finanziert werden können, ohne dass dabei auf Mittel zurückgegriffen werden müsste, die zur Deckung des Lebensunterhalts der Familie notwendig sind.

Um dies beurteilen zu können, findet ein Verfahren zur Prüfung des Anspruches statt, durch welchen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse betrachtet werden. Auch familienrechtliche Verpflichtungen Dritter werden berücksichtigt. So ist der Prozess wenn möglich aus Unterhalts- und Beistandsleistungen zu bezahlen. Der Anspruch entfällt ausserdem, wenn eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen wurde, die diese Kosten übernimmt.

Zur Ermittlung der Bedürftigkeit wird ein Notbedarf berechnet, der sich aus den Grundbeträgen für das tägliche Leben (zum Beispiel Essen, Kleidung, Medikamente,…) und sonstigen regelmässig anfallenden Kosten (etwa für die Miete, Krankenkasse, Steuern,…) ergibt. Dieser Notbedarf wird dann mit dem Einkommen bzw. mit dem Vermögen und den zu erwartenden Prozesskosten verglichen. Grundlage des Vergleichs ist dabei nicht das Existenzminimum, das heisst: Die Grundbeträge werden höher angesetzt und ein minimaler Überschuss ist zu vernachlässigen.

Entscheid des Bundesgerichts
In einem Entscheid des Bundesgerichts vom 11.9.2007 (BGE 4A 87/2007, E.2.1.) wird folgende Richtlinie zur Bewertung herangezogen: Ist der Gesuchsteller innert des Zeitraums von einem Jahr (bei weniger aufwändigen Verfahren) oder von zwei Jahren imstande, die Prozesskosten aus dem monatlichen Überschuss zu bezahlen, so wird das Gesuch abgelehnt.

Auch bezüglich des zur Verfügung stehenden Vermögens wird ein „Notgroschen“ ausgenommen. In welcher Höhe sich dieser belaufen kann, kann vom Gericht je nach Fall anders beurteilt werden. Für die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ist es jedoch darüber hinaus auch entscheidend, dass der Prozess nicht als aussichtslos beurteilt wird. Scheint es wahrscheinlicher zu sein, dass der Gesuchsteller im Prozess unterliegt, wird also keine unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Damit soll vermieden werden, dass ein Prozess – aufgrund dessen, dass er nicht aus der eigenen Kasse zu bezahlen ist – leichtfertig in die Wege geleitet wird.

Ob die Person im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege auch einen unentgeltlichen Rechtsbeistand erhält, entscheidet sich unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit. Notwendig ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt besonders dann, wenn die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist oder es sich um einen Fall handelt, bei welchem der Verfahrensausgang besonders wichtig ist, da schwerwiegende Konsequenzen damit verbunden sind. Auch komplizierte Fälle können einen Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand begründen.

Unentgeltliche Rechtspflege bei Scheidung

Bei bestehender Bedürftigkeit bestehen gute Chancen auf unentgeltliche Rechtspflege im Scheidungsverfahren. Familienrechtliche Verfahren werden nämlich in der Regel nicht als aussichtslos beurteilt. Auch die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistands wird in familienrechtlichen Verfahren in der Regel zugestanden. Im Mittelpunkt steht also die Frage, inwieweit im Einzelfall von einer Bedürftigkeit gesprochen werden kann.

Wie bereits erwähnt wurde, werden im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit auch familienrechtliche Unterhalts- und Beistandsverpflichtungen mitberücksichtigt, wie sie zwischen Ehegatten bestehen können. Das trifft auch im Scheidungsfall zu. Der Ehegatte kann daher auch – unter der Voraussetzung, dass er über ausreichend Mittel verfügt – für Prozesskostenvorschüsse herangezogen werden.

Ablauf der unentgeltlichen Rechtspflege

Um Ihren Anspruch prüfen zu lassen, müssen Sie ein Gesuch beim für Ihren Fall zuständigen Gericht einreichen. Das entsprechende Formular können Sie im Internet finden. Vergessen Sie nicht, alle relevanten Belege wie Kontoauszüge, Lohnausweis etc. beizugeben. Auch eine Schilderung des Falles und gegebenenfalls Beweismittel sollten nicht fehlen, um darzulegen, dass der Prozess nicht aussichtslos ist. Haben Sie bereits einen Anwalt gefunden, von welchem Sie gerne vertreten werden möchten, sollten Sie dies unbedingt im Gesuch angeben.

Um den Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand geltend zu machen, sollten Sie zudem begründen, warum dies in Ihrem Fall notwendig ist. In einem Prüfungsverfahren wird dann darüber entschieden, ob Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht. Das Gesuch können Sie zwar auch noch während des Prozesses stellen – Beachten Sie jedoch, dass die unentgeltliche Rechtspflege nur in Ausnahmefällen rückwirkend geltend gemacht werden kann. Sie sollten sich also auf jeden Fall rechtzeitig darum kümmern. Sie können das Gesuch auch schon vor Einreichung Ihres Rechtsbegehrens stellen. Wird das Gesuch bewilligt, dann gilt dies bereits ab dem Zeitpunkt der Stellung des Gesuchs.

Muss ich für das Prüfungsverfahren zahlen, wenn das Gesuch nicht bewilligt wird?

Das Verfahren zur Prüfung Ihres Anspruchs ist generell kostenlos, unabhängig davon, ob Ihnen unentgeltliche Rechtspflege gewährt wird. Lediglich bei Mut- oder Böswilligkeit müssen Sie die Kosten dafür tragen.

Möchten Sie bereits im Vorfeld eine rechtliche Auskunft einholen, dann müssen sie die Kosten für die anwaltliche Beratung in der Regel selbst tragen. Haben Sie einen Anwalt mit der Erstellung des Gesuchs beauftragt und dieses wird bewilligt, so werden diese Kosten jedoch bereits der unentgeltlichen Rechtspflege zugeordnet und ebenfalls übernommen.

Neben der unentgeltlichen Rechtspflege bietet sich ausserdem die Möglichkeit, unentgeltliche Rechtsauskunft in Anspruch zu nehmen. Wenden Sie sich dafür an die Rechtsauskunftsstelle in Ihrem Kanton. Die Kosten belaufen sich auf maximal 50 Franken, wobei die Rechtsauskunft in vielen Kantonen sogar gänzlich kostenlos ist. In der Regel sind die Rechtsauskunftsgespräche auf ca. 15-20 Minuten beschränkt. Sollten Rechtsmittel eingelegt werden, muss erneut um unentgeltliche Rechtspflege ersucht werden, da hier wiederum beurteilt werden muss, ob im betreffenden Rechtsmittelverfahren Aussicht auf Erfolg besteht.

Wie kann ein Anwalt bei Fragen zur Rechtspflege helfen?

Mit welcher Wahrscheinlichkeit Sie Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege haben, können Sie in einem persönlichen Gespräch mit einem Anwalt erfahren. Dieser prüft Ihre finanzielle Lage und Ihren Fall und kann Ihnen dann eine professionelle Einschätzung liefern. Beachten Sie aber, dass die unentgeltliche Rechtspflege und damit auch die Kostenübernahme für eine Rechtsberatung nicht rückwirkend geltend gemacht werden kann.

Wenn Ihnen ein Verfahren bevorsteht und Sie einen rechtlichen Beistand benötigen, dann kann es jedoch sinnvoll sein, sich schon im Vorfeld auf die Suche nach einem Anwalt zu begeben, dem Sie Ihren Fall anvertrauen möchten. Diesen sollten Sie im Gesuch namentlich erwähnen. Der Rechtsanwalt Ihrer Wahl kann übrigens auch das Gesuch für Sie erstellen und Ihr Rechtsbegehren einleiten. Ausserdem erhalten Sie eine Orientierung über die weitere Vorgehensweise in Ihrem Fall. Da die Kosten im Falle einer Bewilligung ab dem Zeitpunkt des Gesuchs übernommen werden, sind die für das von Ihrem Anwalt erstellte Gesuch anfallenden Kosten ebenfalls durch die unentgeltliche Rechtspflege gedeckt.

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FAQ: Untentgeltliche Rechtspflege

Zum Einen muss Bedürftigkeit vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn Sie die Prozesskosten nicht selbst tragen können, ohne dass Sie dafür finanzielle Mittel aufwenden müssen, die für Ihren Lebensunterhalt notwendig sind. Neben Ihrem Einkommen ist auch Ihr Vermögen ausschlaggebend.
Im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege müssen Sie (vorerst) keine Gerichtskosten, Vorschüsse und Sicherheitsleistungen bezahlen. Wenn eine rechtliche Vertretung in Ihrem Fall notwendig zu sein scheint, dann ist auch eine Kostenübernahme für einen Rechtsbeistand inbegriffen. Beachten Sie jedoch, dass Sie die Kosten wieder zurückzuzahlen haben, falls das für Sie innert 10 Jahren nach Beendigung des Verfahrens möglich ist. Zudem ist die Parteientschädigung an die obsiegende Partei selbst zu zahlen.
Dafür ist ein Gesuch beim zuständigen Gericht zu stellen. Diesem sollten Sie sämtliche Belege zum Nachweis Ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Ihrer regelmässigen Ausgaben beilegen. Das Gesuch sollte zudem eine Schilderung Ihres Falles samt Beweismitteln beinhalten, damit geprüft werden kann, ob Aussicht auf Erfolg besteht. Wenn Sie auch unentgeltlichen Rechtsbeistand beanspruchen möchten, dann ist zudem zu begründen, warum eine rechtliche Vertretung in Ihrem Fall notwendig ist.
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