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Kein Trauschein aber gemeinsames Sorgerecht – Was müssen Väter beachten?

Franzisca Jöhr im Interview

Mehr und mehr Paare bekommen Kinder, ohne vorher zu heiraten. Familienrechtsanwältin Franzisca Jöhr bestätigt: Das muss keine Auswirkungen auf das Sorgerecht haben. Wie unverheiratete Paare das gemeinsame Sorgerecht beantragen können und welche Schritte der Vater setzen muss, beantwortet Jöhr im folgenden Interview.

Die Mutter zweier erwachsener Kinder zählt neben dem Yoga und Velofahren das Familienrecht zu ihren Leidenschaften. Seit 25 Jahren ist sie als selbstständige Anwältin im Familienrecht tätig, seit 14 Jahren ist sie Partnerin in der Kanzlei D3 in Bern. Seit 2016 ist Jöhr ausserdem Fachanwältin für Familienrecht.

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Franzisca Jöhr

Rechtsanwältin für Familienrecht

Gemeinsames Sorgerecht: Was bedeutet das genau?

Das gemeinsame Sorgerecht bedeutet, dass die Eltern die umfassende Kompetenz haben, über das Kind zu bestimmen – wo es wohnt, in welche Schule es gehen soll, wie es erzogen und medizinisch betreut werden soll. Aktuell wäre zum Beispiel die Frage, ob es eine Impfung erhalten soll oder nicht. Auch die religiöse Erziehung und der Name werden von den Eltern gemeinsam bestimmt. Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen treffen die Eltern also gemeinsam. Sie sollen sich dabei am Kindeswohl orientieren.

Um das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten, muss der Vater zunächst das Kind anerkennen, damit er als Vater bekannt wird. Auch müssen die Eltern eine gemeinsame Sorgeerklärung unterschreiben.

Wer bekommt nach der Geburt das Sorgerecht, wenn die Eltern nicht verheiratet sind?

Die Mutter bekommt nach der Geburt von Gesetzes wegen das Sorgerecht. Sie behält es, wenn der Vater nicht aktiv wird.

Wie muss ich als Vater vorgehen, um mit meiner Partnerin die gemeinsame elterliche Sorge zu erhalten?

Der Vater muss zunächst das Kind anerkennen, damit er als Vater bekannt wird. Auch müssen die Eltern eine gemeinsame Erklärung unterschreiben, worin sie angeben, dass sie gemeinsam Verantwortung für das Kind übernehmen wollen und sich darüber verständigt haben, wo das Kind wohnen soll. Diese Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge kann man aus dem Internet herunterladen, beide Elternteile müssen sie unterzeichnen. Sie geben die Erklärung dann beim Zivilstandsamt ab. Die Eltern könnten die Erklärung aber auch mündlich abgeben, wenn sie beide beim Zivilstandsamt sind. Das Kind wird dann mit dem Geburtsschein angemeldet, danach hat man das gemeinsame Sorgerecht. Wenn man das verpasst hat, der Vater nicht da war und die Mutter das Kind schon eingetragen hat, kann man die Erklärung auch später bei der Kindesschutzbehörde nachreichen.

Gibt es bei der Einreichung der Sorge Erklärung Fristen?

Man muss sie in einer angemessenen Frist abgeben. Schon bei der Geburt muss man im Spital angeben, wer die Eltern sind. Wenn kein Vater genannt wird, wird das an die Kindesschutzbehörde weitergereicht und diese schaltet sich ein. Ich würde sagen, man hat schon drei Monate Zeit, aber dann sollte man aktiv werden.

Darf ein Vater sich weigern, die Vaterschaft anzuerkennen oder eine Sorge Erklärung abzugeben?

Es nützt ihm nicht viel, sich zu weigern, die Vaterschaft anzuerkennen. Er kann sich weigern, wenn er daran zweifelt, dass er der Vater ist. Wenn die Mutter aber sicher ist, dass er der biologische Vater ist, kann sie auf die Vaterschaft klagen. Wenn sich der Mann also weigert, landet das Prozedere vor Gericht. Es gibt dann einen DNA-Test. Das Kind muss eine Mutter und einen Vater haben.

Der Vater kann sich aber weigern, die Sorgeerklärung abzugeben, er hat dann sicher Gründe dafür. In der Schweiz sieht man vor, dass das Sorgerecht gemeinsam ausgeübt wird. Es ist merkwürdig, wenn der Mann sich weigert, ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass die Kindesschutzbehörde ihn dazu zwingen wird.

Kann die Mutter meines Kindes mir das Sorgerecht verweigern?

Die Mutter kann sich weigern, die Erklärung zu unterzeichnen. Dann kann der Vater die Kindesschutzbehörde anrufen, diese wird ihm das gemeinsame Sorgerecht erteilen, wenn nicht ganz schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn der Vater wegen Suchtproblemen in einer Klinik ist. Wenn das aber normal abläuft und der Vater das gemeinsame Sorgerecht will, bekommt er es auch. Wenn man unverheiratet ist, muss der Vater immer aktiv werden.

Manchmal gibt es auch Fälle, in denen die Mutter bewusst den Vater nicht angibt. Dann schaltet sich die Kindesschutzbehörde ein. Es wird aber schwierig, wenn die Mutter nicht kooperiert, da man nicht jeden Mann einem Test unterziehen kann.

Angenommen, ein unverheiratetes Paar hat das gemeinsame Sorgerecht. Welchen Familiennamen erhält das Kind nun?

Hier können die Eltern wählen. Die Kinder können den ledigen Namen der Mutter als Familiennamen bekommen oder den des Vaters. Wenn der Familienname gewählt ist, gilt er aber für alle Kinder, die das Paar später noch haben wird.

Verändert sich am Sorgerecht etwas, wenn die Eltern später heiraten?

Nein, hier ändert sich nichts.

Hat eine spätere Trennung der Partner Einfluss auf das gemeinsame Sorgerecht?

Nein, sie haben weiterhin das gemeinsame Sorgerecht. Wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht will, kann er das beantragen, dafür müssen aber ganz gewichtige Gründe vorliegen. Es ist praktisch unmöglich, dass das Gericht einem Elternteil das Sorgerecht entzieht.

Wenn sie sich trennen, wird über die Obhut entschieden, also wo das Kind wohnen wird. Die Obhut umfasst sehr viele Kompetenzen – beispielsweise alltägliche Entscheidungen, wie ob das Kind auf eine Schulreise geht oder zum Arzt. Der Elternteil, bei dem das Kind wohnt, kann alle Alltagsentscheidungen alleine treffen. Das Sorgerecht gilt dann wirklich nur für gravierende Entscheidungen, wie eine Operation oder einen Schulwechsel. Das Sorgerecht wird also durch das Obhutsrecht ausgehöhlt und die Kompetenzen desjenigen, bei dem das Kind nicht wohnt, werden weniger.

Ich würde den Vätern den Ratschlag geben, früh für das Kind Verantwortung zu übernehmen, es zu betreuen und eine Beziehung zu ihm aufzubauen.

Wie können Sie, als Expertin im Familienrecht, Vätern beim Thema gemeinsames Sorgerecht behilflich sein?

Hier in der Schweiz ist das ziemlich einfach. Ich würde die Väter beraten und ihnen sagen, dass sie die Erklärung mit der Mutter abgeben sollen. Wenn das nicht möglich ist, sollen sie bei der Kindesschutzbehörde um das gemeinsame Sorgerecht ansuchen. 

Ich würde den Vätern den Ratschlag geben, früh für das Kind Verantwortung zu übernehmen, es zu betreuen und eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Man kann das Kind auch schon vor der Geburt anerkennen. Die Mutter fühlt sich dann nicht so alleine und es gibt tendenziell weniger Probleme, weil die Mutter auch will, dass das Kind und der Vater eine gute Beziehung zueinander haben.

Seitdem das gemeinsame Sorgerecht standardmässig erteilt wird, habe ich nicht mehr viele solcher Fälle, eher geht es darum, wo die Kinder wohnen sollen. Väter wollen dann die alternierende Obhut, das Kind also hälftig betreuen. Das Gesetz sieht vor, diese Möglichkeit zu prüfen. Auch hier hilft es, wenn der Vater eine gute Beziehung zum Kind hat; Gerichte erlauben dann eher die alternierende Obhut.

Die Väter müssen aber oft auch kämpfen, da die Mutter normalerweise die Obhut bekommt. Es gibt aber immer mehr Fälle, bei denen die Väter das Kind an einem oder mehreren Tagen betreuen möchten.

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Franzisca Jöhr

Rechtsanwältin für Familienrecht
in 3000 Bern

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Franzisca Jöhr informiert Sie ausführlich zu allen Themen rund um Sorgeerklärung und Obhutsrecht, beantwortet alle Ihre Fragen und berät Sie zu Ihren Rechten und juristischen Optionen.
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