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Aufenthaltsbestimmungsrecht – Wem stehen welche Rechte zu?

Angelika Häusermann, MLaw

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezeichnet das Recht der Eltern, über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen zu können. Welche Regelungen es bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei alleiniger bzw. gemeinsamer elterlicher Obhut gibt und worauf diesbezüglich bei einem geplanten Umzug zu achten ist, beantwortet Ihnen Rechtsanwältin Angelika Häusermann, MLaw.

Angelika Häusermann, MLaw ist 39 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Nach ihrer Schulzeit absolvierte sie eine kaufmännische Lehre und studierte anschliessend Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule Winterthur (ZHAW). Ihren Master of Law schloss sie an der Universität Luzern ab. Seit 2013 ist Angelika Häusermann als Anwältin tätig. Zu ihren Schwerpunkten im Familienrecht zählen der Eheschutz, Scheidungen, Kindesvertretungen sowie KESB-Verfahren. Darüber hinaus ist sie im Strafrecht tätig.  

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Angelika Häusermann, MLaw

Rechtsanwältin für Familienrecht

Was ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht und was regelt es?

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist das Recht der Eltern, über den Aufenthaltsort, also den Wohnort, des Kindes zu entscheiden.

Wer hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wenn beide Eltern die elterlicher Sorge haben? 

Solange beide Eltern die gemeinsame elterliche Sorge innehaben, steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Eltern zu. Die gemeinsame elterliche Sorge besteht grundsätzlich auch nach einer Scheidung, es sei denn sie wird einem Elternteil zugeteilt. 

Solange beide Eltern die gemeinsame elterliche Sorge innehaben, steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Eltern zu.

Hat die Obhut Einfluss auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht?

Nur bedingt. Die elterliche Obhut umfasst die tägliche Betreuung und Pflege des Kindes. Wenn das gemeinsame Kind nach einer Trennung hauptsächlich von der Mutter betreut wird und der Vater ein Besuchsrecht hat, hat die Kindsmutter die elterliche Obhut inne. Das bedeutet aber nicht, dass die Kindsmutter allein, also ohne den Kindsvater, über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen darf.

Die tägliche Obhut hat dann einen Einfluss, wenn ein Elternteil einen Umzug oder einen Wegzug ins Ausland mit dem Kind plant. Die zuständige Behörde, also die KESB bei unverheirateten Eltern bzw. das Gericht bei verheirateten Eltern, haben im Falle einer Nichteinigung über den Wegzug zu entscheiden.

Hat es hierbei einen Einfluss, ob es sich um eine alternierende oder alleinige Obhut handelt?

Das bisher gelebte Betreuungsmodell, also die Obhut und wie das Kind während des Zusammenlebens und während der Trennung betreut worden ist, spielt natürlich eine gewichtige Rolle. Man möchte an das anknüpfen, was bereits gelebt wurde und was ein Kind gewohnt ist. Grundlage ist hierbei das Kindeswohl. Es stellt sich die Frage, ob es dem Kindeswohl entspricht, wenn sich das Kind beim zurückbleibenden Elternteil aufhält oder wenn es mit dem anderen Elternteil wegzieht.

Ihrer Erfahrung als Familienrechtsanwältin nach: Zu welchen Problemen kann es rund um das Aufenthaltsbestimmungsrecht kommen?

Es kann zu einem Problem werden, wenn ein Elternteil mit dem Kind oder den Kindern wegziehen möchte, der andere Elternteil damit aber nicht einverstanden ist. Die Gemeinden verlangen bei einer Wohnsitzabmeldung und bei der Anmeldung in einer neuen Gemeinde eine schriftliche Einverständniserklärung des anderen sorgeberechtigten Elternteils. Ohne eine solche Einverständniserklärung wird eine An- bzw. Abmeldung von der Gemeinde nicht vorgenommen.

Das kann mitunter Auswirkungen auf eine Schulanmeldung haben. Wenn man bei keiner Gemeinde angemeldet ist, erfolgt der Schuleintritt möglicherweise nicht, erst verspätet oder das Kind muss die Schule wechseln.

Ein anderes Problem kann sich hinsichtlich einer ausländischen Staatsangehörigkeit ergeben. Etwa wenn eine Verlängerung des Ausländerausweises ansteht, man sich aber beim neuen Wohnort noch nicht anmelden kann, weil sich der andere Elternteil querstellt und nicht mitwirkt. In diesem Fall ist man nirgends angemeldet und kann unter Umständen den Aufenthaltstitel nicht verlängern.

Umzug, Schulwechsel & Co – Wann hat mein Ex-Partner ein Mitspracherecht?

Wenn die Eltern auch nach der Scheidung die elterliche Sorge gemeinsam ausüben – was der Regelfall ist – dann hat der Ex-Partner bei einem Umzug bzw. einem Schulwechsel ein Mitspracherecht. Das heisst, sobald ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln möchte, benötigt er die Zustimmung des anderen Elternteils oder aber, sollte dies verweigert werden, die Zustimmung der KESB oder des Gerichts. Dies grundsätzlich nur dann, wenn der neue Aufenthaltsort im Ausland liegt oder der neue Wohnort erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr bzw. die Betreuung durch den andern Elternteil hat.   

Wenn die Eltern auch nach der Scheidung die elterliche Sorge gemeinsam ausüben – was der Regelfall ist – dann hat der Ex-Partner bei einem Umzug bzw. einem Schulwechsel ein Mitspracherecht

Das heisst, wenn man innerhalb der Schweiz umzieht, benötigt es diese Zustimmung nicht?

Doch, unter Umständen schon. Wenn die Eltern beispielsweise eine alternierende Obhut lebten und das Kind von beiden Elternteilen betreut wird, hat mitunter bereits ein Wohnsitzwechsel mit 20, 30 Minuten Unterschied Auswirkungen auf das gelebte Betreuungsmodell bzw. das Besuchsrecht. Das ist dann Auslegungssache und wenn die Zustimmung durch den einen Elternteil verweigert wird, haben die zuständigen Behörden zu entscheiden.

Was geschieht, wenn ein Elternteil z.B. bei einem Umzug ins Ausland nicht einwilligt?

Im Mittelpunkt steht immer das Kindeswohl. Sollte sich ein Elternteil querstellen, muss das Gericht oder die KESB prüfen, ob es für das Kind vorteilhafter ist, mit dem wegzugswilligen Elternteil mitzugehen oder mit dem anderen Elternteil hierzubleiben.

Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Wie war die bisherige Betreuung gestaltet? Hat sich das Kind hier bereits in der Schule eingelebt? Gibt es andere Bezugspersonen, wie zum Beispiel Halbgeschwister? Wie wird die Situation im Ausland aussehen?

Das Gericht darf jedoch die Niederlassungs- und Bewegungsfreiheit des umzugswilligen Elternteils nicht einschränken, auch wenn es für das Kind vielleicht das Beste wäre, wenn beide Eltern hierbleiben würden.

Wie und nach welchen Grundsätzen entscheiden Gerichte, wenn es Streit um den Aufenthaltsort eines Kindes gibt?

Es kommt, wie bereits erwähnt, in erster Linie auf das Kindeswohl an. Das Gericht wird jedenfalls prüfen, wie die Situation des umzugswilligen Elternteils genau aussieht. Gibt es dort, wo er hinziehen möchte, Familie? Hat er einen gesicherten Job? Wie soll die Betreuung dort im Allgemeinen aussehen? Das Gericht wird sich jedoch ebenso ansehen, welche Perspektiven das Kind hat, wenn es hier in der Schweiz bleibt.

Was geschieht, wenn ein Elternteil ohne die nötige Zustimmung des anderen mit dem Kind umzieht?

Im Sinne von Kinderschutzmassnahmen kann man den Umzug des Kindes mit einer Weisung verbieten. Es könnte beispielsweise auch der Reisepass des Kindes bei den Behörden hinterlegt werden müssen, damit so eine Ausreise verhindert werden kann. Es könnte ebenso das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen werden, wenn bekannt wird, dass bereits ohne den anderen Elternteil entschieden wurde.  

Solche Massnahmen könnte man auch mit einer Strafandrohung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen verbinden.

Wenn der Umzug bereits erfolgt ist, liegt eine Kindesentführung vor. In diesem Fall besteht abhängig vom jeweiligen Wegzugsland unter Umständen die Möglichkeit, das Kind wieder in die Schweiz zurückzuführen.  

Kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen werden?

Ja, das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann entzogen werden. Die elterliche Sorge kann im Zuge der Scheidung oder in einem selbstständigen Verfahren nur einem Elternteil zugeteilt werden. Hierfür sind wichtige Gründe erforderlich.

Das heisst, das Gericht oder die KESB ordnet eine alleinige Sorge eines Elternteils nur dann an, wenn die gemeinsame elterliche Sorge nicht mit dem Kindeswohl vereinbar wäre. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Elternteil nicht in der Lage ist, sich um ein Kind zu kümmern oder seine Pflichten gegenüber dem Kind gröblich verletzt. Ebenso wenn ein Elternteil das Kindeswohl konsequent missachtet, wichtige Fragen boykottiert oder wichtige Zustimmungen bzw. Unterschriften nicht leistet.

Man kann die elterliche Sorge auch dahingehend einschränken, dass ein Elternteil allein über den Aufenthaltsort bestimmen darf, alle anderen wichtigen Kinderbelange aber weiterhin gemeinsam entschieden werden.

Rechtstipp: Was raten Sie Ex-Partnern, die gemeinsam über den Aufenthalt bestimmen?

Es ist natürlich wichtig, wie die Betreuung und die Beziehung zu den Kindern während der gemeinsamen Zeit gelebt worden sind. Wenn sich zum Beispiel ein Elternteil nie persönlich um die Kinder gekümmert hat oder wenn eine bestimmte Rollenverteilung gelebt wurde, so ist es schwierig, diese Muster nach einer Trennung zu durchbrechen. Wenn derjenige Elternteil, der sich mehrheitlich um die Kinder gekümmert hat, wegziehen möchte, so hat der andere Elternteil eher wenig Möglichkeiten, diesen Wegzug zu verhindern, da er zuvor nie präsent war.

Das heisst, man sollte vorab einen möglichst hohen Anteil an der Betreuung übernehmen, einen engen Bezug zum Kind aufbauen und ebenso einen guten Kontakt zum Ex-Partner beibehalten, auch wenn das zwischenzeitlich schwierig sein kann.

Wie können Sie – als Anwältin im Familienrecht – Menschen helfen, die über en Aufenthaltsort ihres Kindes streiten?

Meine Aufgabe besteht zunächst darin, meinen Mandanten die genaue Rechtslage zu erklären und ihn oder sie darüber aufzuklären, wie ein solches Verfahren abläuft, wie viel Zeit dieses in Anspruch nimmt und mit welchen Kosten zu rechnen ist.

Darüber hinaus braucht es eine Strategie, um sein Ziel erfolgreich verfolgen zu können. Es braucht allenfalls eine gewisse Vorlaufzeit, um den Umzug mit den Mandanten entsprechend planen zu können. Schliesslich kann man, vor allem wenn Kinder involviert sind, nicht planlos und ohne entsprechende Perspektive vorgehen. Es muss konkrete Pläne geben, die ich mit meinen Mandanten entsprechend aufarbeiten würde.

Da das Kindeswohl in diesen Belangen im Vordergrund steht, sollte man sich ebenso in das Kind hineinversetzen und im Sinne des Kindeswohls argumentieren können. Vielleicht müssen die eigenen Bedürfnisse hinterfragt werden.

Ein guter Kompromiss ist mitunter viel fördernder als ein jahrelanger Rechtsstreit.

Ein guter Kompromiss ist mitunter viel fördernder als ein jahrelanger Rechtsstreit.

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Angelika Häusermann, MLaw

Rechtsanwalt für Familienrecht
in 8032 Zürich

Fragen zum Thema Aufenthaltsbestimmungsrecht?
Angelika Häusermann, MLaw informiert Sie ausführlich zu den Themen Aufenthaltsbestimmungsrecht, elterliche Sorge sowie Obhut und beantwortet alle Ihre Fragen.
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