Wie wird entschieden, welcher Elternteil die Obhut bekommt? Gibt es hier noch Unterschiede, die auf dem Geschlecht basieren?
Solche Unterschiede gibt es je länger je weniger. Heute wird vor allem aus praktischen Gründen häufig auf das bisher gelebte Familienmodell abgestellt. Dieses sieht nach wie vor eine gewisse Mehrbetreuung durch die Mutter vor. Die Väter bringen sich heute aber vermehrt in der Kinderbetreuung ein. Meine Erfahrung ist, dass Väter, die mehr Verantwortung übernehmen wollen und auch ein Betreuungskonzept vorweisen können, sehr gute Chancen auf Zuteilung zum Beispiel der alternierenden Obhut haben. Von alternierender Obhut spricht man dann, wenn das Kind alternierend bei beiden Elternteilen lebt und Vater und Mutter die Betreuung ungefähr zu gleich grossen Teilen übernehmen, zum Beispiel 50 zu 50 oder 60 zu 40 Prozent.
Dem erwerbstätigen Elternteil – das ist häufig noch vermehrt der Vater – kommt entgegen, dass die Fremd- und Eigenbetreuung heute als gleichwertig erachtet werden. Die Frage des Pensums der Erwerbstätigkeit tritt mit zunehmendem Alter des Kindes in den Hintergrund. Ganz am Anfang, wenn es sich noch um Säuglinge handelt, gibt es vielleicht noch den praktischen Unterschied, dass die Mutter mehr gebraucht wird, aber je älter die Kinder werden, desto weniger ist das der Fall.
Man muss sich aber bewusst sein, dass das Wechselmodell kostspielig ist, denn es kommt praktisch zu einer Verdoppelung der Fixkosten. Vater und Mutter müssen zwei separate angemessene Wohnungen haben, brauchen zweimal Mobiliar und zwei Schlafzimmer, es gibt doppelte Kosten für Transport, Kleidung, Spielsachen etc. Das ist häufig ein Grund, der gegen dieses Betreuungsmodell spricht. Gerade für schulpflichtige Kinder ist die alternierende Obhut oft ein Nachteil, wenn die Distanz zwischen den beiden Wohnsitzen gross ist. Die alternierende Obhut macht meistens nur Sinn, wenn beide Elternteile nahe beieinander wohnen und das Kind von beiden Wohnsitzen aus in die Schule gehen kann. Vorausgesetzt wird natürlich auch, dass beide Elternteile grundsätzlich erziehungsfähig sind.