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Was gilt es bei der Anrufung von Beweismitteln in ehelichen Verfahren zu beachten?

lic. iur. HSG Christian Geosits im Interview

Ehegatten schulden sich per Gesetz gegenseitig Auskunft. Diese Auskunftspflicht umfasst insbesondere das Einkommen, das Vermögen sowie auch die Schulden. In welchen Fällen eine nacheheliche Auskunftspflicht besteht und worauf bei der Anrufung von Beweismitteln in ehelichen Verfahren grundsätzlich zu achten ist, beantwortet Ihnen Rechtsanwalt lic. iur. HSG Christian Geosits, im folgenden Interview. 

Lic. iur. HSG Christian Geosits ist seit rund 15 Jahren selbstständiger Rechtsanwalt in Zürich. Sein Büropartner und er sind allgemeinpraktizierende Anwälte unter der Homepage www.geosits.ch. Lic. iur. HSG Christian Geosits ist sowohl im Straf- als auch Zivilrecht prozessierend tätig, letzteres mit einem Schwerpunkt im Familienrecht. 

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Rechtsanwalt für Familienrecht

Was gilt grundsätzlich als Beweis bzw. welche Beweismittel sind vor Gericht zulässig?

Als Beweis sind jede Art von Mitteln möglich, die eine behauptete Tatsache nachzuweisen vermögen. Der Beweis gilt als gelungen, wenn über die Tatsache anschliessend keine Zweifel mehr bestehen, sondern der Richter die volle Überzeugung gewonnen hat. In einem ordentlichen Verfahren, wie z. B. in einem Scheidungsverfahren, sind grundsätzlich alle Beweisarten zulässig.

Vom vollen Beweis gilt es die Glaubhaftmachung zu differenzieren. Bei einer Glaubhaftmachung genügt ein tieferer Grad der richterlichen Überzeugung. Diese kann in einem summarischen Verfahren wie etwa einem Eheschutzverfahren zur Anwendung kommen. Summarische Verfahren zeichnen sich sodann durch eine Beweismittelbeschränkung aus. In solchen Verfahren sind grundsätzlich nur Urkunden als Beweismittel zulässig. Zeugen werden grundsätzlich nicht angehört. 

Verboten und unzulässig sind Beweise, die auf eine illegale Art und Weise beschafft worden sind. Dazu zählen z. B. Aufnahmen aus dem privaten Bereich, bei denen die andere Person nicht wusste, dass sie abgehört wurde. Eine solche Aufnahme darf man dann vor Gericht nicht verwenden.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine vorsorgliche Beweisabnahme zulässig und welche Schranken sind dieser gesetzt?

Die vorsorgliche Beweisabnahme ist gesetzlich geregelt. Es handelt sich um ein Verfahren vor einem streitigen Hauptprozess und zwar um ein summarisches Verfahren. Bei vorsorglichen Beweisführungen geht es grundsätzlich darum, Tatsachen festzustellen bzw. eine Sachlage zu ermitteln und nicht über Rechte und Pflichten zwischen Parteien zu entscheiden.

Eine vorsorgliche Beweisführung ist immer dann möglich, wenn Gefahr im Verzug besteht. Wenn also vorhandene Beweismittel verloren gehen könnten oder sich eine Sachlage zu verändern droht. Die Partei, welche eine vorsorgliche Beweisführung verlangt, muss hierfür ein Interesse dartun. Das bedeutet, dass die vorsorgliche Beweisführung in Verbindung mit möglichen Rechten und Pflichten zu sehen ist, worüber später in einem anderen Verfahren zu entscheiden ist. Prozessual ist die vorsorgliche Beweisführung auch immer dann möglich, wenn das Gesetz einen solchen prozessrechtlichen Anspruch gewährt und vorsieht.

Eine vorsorgliche Beweisführung ist immer dann möglich, wenn Gefahr im Verzug besteht.

Können dem Gericht die Beweise jederzeit übergeben werden?

Nein, in Zivilprozessen ist die Beweisführung vor Gericht sehr reglementiert. Die Beweismittel müssen spätestens im Rahmen des sogenannten zweiten Schriftenwechsels – das heisst, mit der Replik oder Duplik – vorgebracht werden.

Sollte lediglich ein einfacher Schriftenwechsel stattfinden – das heisst, einzig eine Klage- und Klageantwortschrift – können die Beweismittel auch noch in der Hauptverhandlung, sprich in der mündlichen Verhandlung vor Gericht zur Abnahme bzw. zur Beweisführung für die behaupteten Tatsachen offeriert werden.

Von dieser Regelung gibt es im Wesentlichen drei Ausnahmen:

Erstens, wenn neue Beweismittel erst nach dem Abschluss des doppelten Schriftenwechsels entstanden sind. In diesem Fall ist von sogenannten echten Noven die Rede, die auch noch später vorgebracht werden können.

Zweitens, wenn eine Partei, trotz zumutbarer Sorgfalt, ein Beweismittel nicht offerieren konnte. In diesem Fall ist die Beweismittelnennung ebenfalls noch zulässig, wobei dann von sogenannten unechten Noven die Rede ist.

Drittens können neue Beweis dem Gericht noch übergeben werden, wenn im Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gilt; wenn also das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat. Das gilt z. B. in ehelichen Verfahren, wo es um Kindsbelange und die Wahrung des Kindeswohls geht.

Was ist ein Gegenbeweis und wann ist er zulässig?

Ein Gegenbeweis setzt einen Hauptbeweis voraus. Unter dem Hauptbeweis ist die Beweisführung jener Partei zu verstehen, die eine Tatsache behauptet und hieraus für sich Rechte ableitet. Diese Partei trägt dann die Beweislast. Immer wenn eine Partei diesen Hauptbeweis zu tragen hat, steht der anderen Partei der Gegenbeweis offen.

Die Gegenbeweisführung ist ein Ausfluss aus dem rechtlichen Gehör und dient auch dazu, ein faires Verfahren zu ermöglichen.

Was ist genau unter einer gegenseitigen Auskunftspflicht der Ehegatten zu verstehen?

Die Auskunftspflicht bezweckt ein harmonisches Zusammenwirken in der Ehe und konkretisiert damit die Kommunikation unter den Ehegatten. Die Auskunftspflicht ist im Gesetz materiell normiert und bezieht sich auf die finanziellen Belange. Sie dient auch dazu, dass jeder Ehegatte in ehelichen Verfahren seine Rechte wahrnehmen kann. Im Vordergrund stehen die Angaben zum Einkommen, Vermögen und Schulden.

Weigert sich ein Ehegatte dem anderen die geschuldete Auskunft zu geben, kann er richterlich zur Auskunft verpflichtet werden, auch unter Strafandrohung. Drittpersonen, wie der Arbeitgeber oder Banken, können ebenfalls dazu verpflichtet werden, über die Verhältnisse Auskunft zu geben.

Die Auskunftspflicht umfasst das Einkommen, das Vermögen und die Schulden – so steht es im Gesetz.

familienrechtsinfo.ch: Welche Informationen umfasst die Auskunftspflicht und wie lange besteht der Anspruch?

Die Auskunftspflicht umfasst das Einkommen, das Vermögen und die Schulden – so steht es im Gesetz. Die Auskunftspflicht ist vom Umfang her also beschränkt auf Tatsachen, woraus eheliche und durchsetzbare Rechte abgeleitet werden können. Keine Auskunftspflicht besteht, wenn es um Persönlichkeitsrechte des anderen geht oder wenn Details in Bezug auf die eigene persönliche Geldverwendung z. B. innerhalb des sog. Taschengeldes zur Diskussion stehen.

Das gesetzliche Auskunftsrecht ist somit nicht für Fragen bestimmt, ob einer der Ehegatten zum Beispiel einen Seitensprung begeht und wer der Liebhaber oder die Liebhaberin sein könnte. Auch im Bereich des eigenen finanziellen Freiraums besteht kein Recht auf Auskunft.

Der Anspruch auf Auskunft besteht gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes solange ein Ehepaar verheiratet ist. Nach einer rechtskräftigen Scheidung bestehen grundsätzlich keine Auskunftspflichten mehr.

Gibt es denn Fälle, in denen eine nachehliche Auskunfspflicht besteht?

Eine nacheheliche Auskunftspflicht kann bestehen, wenn das Scheidungsurteil eine solche festhält. Im Zusammenhang mit Unterhaltszahlungen kann beispielsweise geregelt sein, dass sich diese bei einem späteren Mehr- oder Minderverdienst eines Ehegatten entsprechend anpassen. In einem solchen Fall können dann z. B. Lohnausweise vom anderen Ehegatten einverlangt werden.

Was passiert bei einer Auskunftsverweigerung oder der Erteilung einer ungenügenden bzw. unrichtigen Auskunft?

Wenn ein Ehegatte sich weigert, kann er richterlich und unter Strafandrohung verpflichtet werden, Auskunft zu leisten.

Die Auskunftsverweigerung kann aber auch beweisrechtlich frei gewürdigt werden. Sollte eine Partei in einem Verfahren zu einer bestimmten Tatsache keine Auskunft geben, zu der sie eine Auskunft schuldet, hat das Gericht die Möglichkeit, von gewissen Sachverhaltsvarianten auszugehen und diese als festgestellt zu betrachten und hiervon das Urteil abzuleiten.

Soweit sich ein Ehegatte durch eine unrichtige Auskunft einen Vorteil zu verschaffen versucht, ist das immer auch mit Risiken verbunden. Werden erhebliche Tatsachen für den Urteilsspruch unrichtig dargestellt, kann das strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zu denken ist an die Tatbestände der Urkundenfälschung, des falschen Zeugnisses und/oder des Betruges.

Was passiert, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die als Beweis dienende Urkunde eine Fälschung war?

Das kommt immer darauf an, in welchem Zusammenhang die Urkunde benutzt wird.  

Nicht jedes Schriftstück stellt eine Urkunde dar. Ebenso geht es darum, ob die Urkunde rechtserhebliche Tatsachen zu beweisen vermag. Sollte ein Zivilurteil jedoch auf Grundlage von gefälschten und Entscheid relevanten Urkunden gefällt worden sein, dann besteht die Möglichkeit, das Urteil im Rahmen einer sogenannten Revision abzuändern. Das ist ein ausserordentliches Rechtsmittel.

Eine durch die Fälschung von Urkunden geschädigte und benachteiligte Person hat auch die Möglichkeit, eine Strafanzeige zu erstatten.

Tipps vom Rechtsanwalt: Was raten Sie Mandanten, wenn es um die Einbringung bzw. Sicherung von Beweisen geht?

Ich rate meinen Mandanten die Beweise unverzüglich und umfassend zusammen zu stellen.

Je frühzeitiger und umfassender man die Beweise dokumentiert, desto besser und einfacher ist es, die Angelegenheit zu regulieren. In Bezug auf Zeugen kann es sich empfehlen, bereits frühzeitig im Vorfeld zu einer gerichtlichen Befragung ein schriftliches Auskunftsschreiben einzuholen. Je frischer die Erinnerung ist, desto besser und einfacher lassen sich solche Aussagen festhalten. Wird demgegenüber ein Zeuge in einem Verfahren vor Gericht erst viel später befragt, kann das Erinnerungsvermögen in Bezug auf wichtige Details auch verloren gehen.

Je frühzeitiger und umfassender man die Beweise dokumentiert, desto besser und einfacher ist es, die Angelegenheit zu regulieren.

Wie können Sie Mandanten in Bezug auf die Beweisführung unterstützen?

Zunächst gilt es zu wissen, dass die Schweizer Gesetzgebung derart konzipiert, dass der Anwalt grundsätzlich nicht für die Beweismittelbeschaffung zuständig ist. Das ist grundsätzlich Aufgabe des Mandanten, er hat sie dem Anwalt zu übergeben. Ausnahmsweise kann auch der Anwalt die Beweise beschaffen, wenn der Klient dazu z. B. selbst nicht in der Lage ist.

Ein guter Anwalt weiss, wie und in welcher Form der Klient anhand einer geschilderten Tatsachenlage die Beweise erbringen kann. Das können Urkunden oder Fotografien oder wie vorstehend erwähnt auch schriftliche Zeugenbestätigungen sein. Die Aufgabe des Anwalts besteht sodann darin, spezifisch in Bezug auf die einzelnen Punkte, die es zu beweisen gilt, das Beweismaterial mit dem Klienten durchzugehen und dieses zu würdigen, ob es rechtsgenügend ist.

Die Zusammenstellung der Beweise ist eine Schlüsselaufgabe in einem Prozess. Denn damit verbunden sind auch die Chancen, vor Gericht betreffend die verfolgten Interessen durchzudringen. Die Erfolgsaussichten sind vor der Einleitung eines Verfahrens natürlich zu bewerten und hierüber gilt es die Klientschaft entsprechend auch aufzuklären.

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lic. iur. HSG Christian Geosits

Rechtsanwalt für Familienrecht in 8008 Zürich

Fragen zum Thema Beweismittel in ehelichen Verfahren?
Rechtsanwalt lic. iur. HSG Christian Geosits informiert Sie gerne in einem persönlichen Gespräch. Er beantwortet Ihre Fragen und berät Sie zu Ihren Rechten und juristischen Optionen.
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